Es gibt einige Legenden im Schweizer Karate. Einer, der diesen Status aufgrund seiner Persönlichkeit und seiner herausragenden Leistungen mehr als verdient, ist Erich Marti, 7. Dan, (*1954).

Als ich 1978 in einer Karatezeitschrift einen Karateka mit den Worten «dank seines brennenden Ehrgeizes und einer totalen Selbstüberzeugung – ein «Verrücktsein», das nötig ist, um ganz nach oben zu kommen» beschrieb, da war ich überzeugt, das Anfangsporträt eines kommenden grossen Karateka erstellt zu haben.

Auf den 1. Juli 2024 hat Erich Marti seine Shotokan Karateschule in Zürich, eine der ersten professionellen Schulen der Schweiz, an seinen langjährigen «Schüler» Glenn Jäger übergeben.

Dieser hatte bereits 2019 seine Schule in Wallisellen übernommen und gezeigt, dass er ein würdiger Nachfolger als Schulleiter ist.

Erich Marti, aus dessen Dojo weit über 100 Dan-Träger hervorgingen, Nationalmannschaftsmitglieder mit WM- und EM-Teilnahmen sowie viele Titelträger und Medaillengewinner der Schweizermeisterschaften, wird dem Karate weiterhin treu bleiben, Unterricht erteilen und seinem Leitbild «sichtbar machen, wer wir sind, was wir tun und welchen Vorstellungen wir uns leiten lassen» folgen.

WettkämpferInnen, TrainerInnen und FunktionärInnen sind Botschafter eines modernen Karate mit traditionellen Werten. Der Unterricht orientiert sich am Gesundheits- und Erziehungsverständnis asiatischer Trainingsmethoden und an modernsten Erkenntnissen unserer Sportmedizin.

Erich Marti begann 1969 mit Karate und gründete 1976 in Zürich an der Hallwylstrasse seine erste von vier Karateschulen. 1981 folgten Wallisellen, 1990 Küssnacht am Rigi und 1994 Chur.

Sein Weg führte ihn vom Trainer zum Dojoleiter, vom Mitglied der Nationalmannschaft (1973 bis 1983, vier EM-Bronzemedaillen, 3 WM und 10 EM-Teilnahmen) zum erfolgreichen Nationaltrainer (1983-1988).

Fotos Wettkämpfer

Legendäres Nationalteam, v.l.n.r. Davor Komplita, Claude Ravonel, René Bösch,
Jean-Claude Knupfer (Nationaltrainer), Dominique Fornage, Erich Marti, Jean Walker.

EM-Bronze Team-Kata mit Vicente Bosch und Bertrand Freymond

Schweizer Nationalmannschaft, von vor nach hinten: Erich Marti, Bertrand Freymond, Gerald Sautier, Georges Faulon, Javier Gomez, Bernard Lello, Gilbert Mottet

Erich Marti im National-Team der SKR, von vorne nach hinten: Gregor Herrmann, Francesco Zuso, Roland Heimgartner, Bruno Vogelsanger, Bernd Andres, Beda Meienberg, Erich Marti, Helmuth Jarosch

Nationalmannschaft 1979 mit Fritz Matti, Thomas Sutter, Steve Lunt, ?, Beda Meienberg, David Maggio, Nationaltrainer Jean-Claude Knupfer Philippe Graf, André Hoffmann, Bernard Lello, Dominique Fornage, Erich Marti, Gérald Sauthier

Im Nationalkader trainierten unter seiner Leitung Weltmeister Javier Gomez (über Erich Marti: Er war es, der mich im Kumite in der Hauptsache geformt hat und der mir das notwendige Rüstzeug mit auf den Weg gegeben hat. Anmerkung: Gomez absolvierte viele Stunden im Dojo von Marti), Maurice Negro (WM-Bronze 1986), Dominique Sigillo, Djim Doula, Daniela Galilei, Gérald Sauthier, Ronald Horisberger, Olivier Knupfer, Rudi Seiler. Alles Karateka mit grossen Namen und vielen internationalen und nationalen Erfolgen.

Fotos Nationaltrainer

Dezember 1982, Sportpanorama, Vicente Bosch, Urs Simon, Javier Gomez, Erich Marti

WMF-WM Maastricht, 1984
Erich Marti, Maurice Negro, Christian Barthélémy, Javier Gomez, Harri Andereggen, Rudi Seiler

EM Junioren/Damen 1988, Sopron/Ungarn mit Jean Luna, Erich Marti, Elisabeth Walker, Henri Jordan, Vincent Longagna, Daniela Galilei u.v.a. sowie ganz rechts
der nachmalige Chef Leistungssport Daniel Humbel und Arietta Anonella

1988, WM Kairo: Abschied als Nationaltrainer Kumite, hier mit Nationaltrainer Kata Pierre Sibille

Neben seiner Trainertätigkeit engagierte sich Marti als langjähriger Chef der Ausbildungs- und Prüfungskommission SKU (Mitglied bis heute), war Organisator von 12 internationalen «Cup von Zürich» (bis 1996), National A Schiedsrichter Kata/Kumite, J+S Experte und Autor von drei Karate-Lehrbüchern. Zusammen mit Henri Jordan, Daniel Grabenstaetter, Koichi Sugimura und Hiroshi Nakajima leitete er SKF-Landestrainings. Dazu die für viele unvergessenen Trainingslager in Urnäsch.

1978 war er, zusammen mit mir und dem ehemaligen Zentralpräsidenten Philippe Panchard, Mitglied der damaligen Gesamt-Kommission zur Gründung des heutigen SKF. Erich Marti absolvierte als erster Schweizer Spitzensporttrainer den damaligen Trainerlehrgang NKES (Nationales Komitee für Elitesport) 1987/1988 den er mit Bravour bestand. Seine Diplomarbeit bestand in einem Video mit dem Titel «Von der Kriegskunst zum Spitzensport». 2012 gehörte er zur ersten Generation der Karatelehrer mit eidg. Fachausweis.

Erich Marti, oben links

In seinen drei Lehrbüchern zeigt Erich Marti die gesamte Breite des Karate-Do auf. Diese Werke sind bis heute aktuell und dienen als beste Partner für den Breiten- und Spitzensport. Die in Band III festgehaltenen Aussagen: Unter Trainingssteuerung verstehen wir den zielorientierten Umgang mit Trainingszielen, -prinzipien, -arten, -massnahmen, -inhalten und -methoden sind bis heute aktuell. Seine Lehrbücher nahmen Vieles vorweg was heute im FTEM-Modell und im Online Spitzensport Poster Karate enthalten sind. So wie der Chef-Ausbilder der JKA, Masatoshi Nakayama (1913-1987) einer der Wegbereiter zum modernen Karate war ist es Erich Marti in der Schweiz.

Mit etwas Humor zu verstehen ist seine Zitierung des Zen-Meisters Gettan (lebte in der Tokugawa-Zeit, 1603-1668): Es gibt drei Arten von Schülern: Solche, die verstehen, solche, die für Tempel und Schrein sorgen und dann gibt es noch die Reisbeutel und Kleiderständer. Übersetzt: Es gibt, zu allen Zeiten, wenig Produzenten und unzählige Konsumenten. Organisationen leben vor allem von den ersteren.

Anlässlich der 30-Jahrfeier, im Jahr 2000 in Sursee, wurde Erich Marti für seine ausserordentlichen Verdienste, von der SKF die Ehrenauszeichnung in Silber (zusammen mit Arturo Hotz, dem legendären Chef der Trainerausbildung der SKF, 1987-1994) sowie der 5. Dan verliehen.

Im Sport schrieb er am 22. Oktober 1977, Zofingen, Schweizer Karategeschichte, als er als erster Deutschschweizer Schweizermeister wurde. In einer Zeit, als es nur eine Open Kategorie gab (90 Teilnehmende, Mindestgrad Braungurt) und zum ersten Mal alle bedeutenden schweizerischen Karateverbände ihre besten Athleten (SM-Kumite Frauen erst ab 1985) schickten. An einer SM an denen die beiden renommierten internationalen Schiedsrichter Fassioni (Italien) und Dr. Hagedorn (Bundesrepublik Deutschland) im Einsatz waren. Gekämpft wurde nach dem Ippon-Shobu-System mit 2 Minuten Kampfzeit, ab dem Viertelsfinale Sanbon-Shobu-System.

Siegerfoto Schweizermeisterschaft 197
v.l.n.r Werner Näpfer, Ernst Plattner, Erich Marti, Jean-Pierre Landert, Junus Tahir, Fritz Matti

Kommentar offizielle schweizerische Karate-Do Zeitschrift:
Der Endkampf liess es an Dramatik nicht fehlen. Mit einem grossartigen Publikum im Rücken konnte Marti diesen «Heimkampf» in Angriff nehmen und auch gewinnen. Nach einem Wazaari für Chudan-Tsuki bewerteten die Kampfrichter einen herrlichen Lehrbuch-Mawashigeri des Zürchers zum Kopf des Wallisers (Jean-Claude Knupfer) als ganzen Punkt. Nach diesem Ippon bereits mit 0:3 in Rückstand geraten, prägte eine schier unermessliche Hektik den weiteren Kampfablauf. Knupfer setzte nun alles auf eine Karte und holte innert kürzester Zeit zwei Wazaari zum 2:3. Bei einem erneuten stürmischen Angriff stark in die Defensive gedrängt, konterte Marti einmal mehr erfolgreich, was die Entscheidung und somit den Titel bedeutete.

1978 gewann er auch den legendären Fujimura-Cup und wurde im gleichen an der EAKF-EM 3er im Team-Kumite.


Foto 1978: Internationaler Cup Ecublens (als es noch keine Tatamis gab)

Ein herausragender Techniker in Kata und Kumite

Erich Marti war (anfangs 70iger Jahre, Kenji-Kan Kioto Zürich, Gerold Wildhaber) einer meiner ersten Karatetrainer. Sein Spirit, sein «von sich überzeugt sein, Grenzen zu verschieben», prägt mich bis heute. Dafür bin ich im dankbar.

Roland Zolliker
Ehrenpräsident SKF
Zentralpräsident 1988-2022

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