Die ausserordentliche Versammlung des Sportparlament von Swiss Olympic gab am Dienstag, 11. April 2017, einstimmig seine Zustimmung zu «Sion 2026» für die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2026.
Somit bleibt der Traum von Olympischen Winterspielen in der Schweiz bestehen.
Damit ist die Schweizer Kandidatur, um in 9 Jahren die Olympischen Winterspiele zu beherbergen, einen Meilenstein weiter. Die stimmberechtigten Delegierten der 36 olympischen Mitgliederverbände, folgten dem Exekutivrat von Swiss Olympic einstimmig.
In einer 2. Abstimmung hiessen die Vertreter aller anwesenden Mitgliedsverbände einstimmig den Antrag gut, dass sich Swiss Olympic, aus seinen Reserven, mit 8 Millionen Franken am Budget für die internationale Kandidaturphase beteiligen soll.
Das Sportparlament – oberstes Organ des Schweizer Sports, das sich aus den 86 Mitgliedsverbänden von Swiss Olympic zusammensetzt – ratifizierten somit den Entscheid des Exekutivrats von Swiss Olympic vom 7. März 2017.
Dass die Unterstützung für «Sion 2026» gross sein würde, hatte sich an diesem Abend im Haus des Sports nach der emotionsreichen Präsentation des Komitees von «Sion 2026» herauskristallisiert. Bekannte Sportlerinnen und Sportler aus allen Landesteilen waren extra nach Ittigen gereist und zeigten sich begeistert von der Idee, den weltgrössten Wintersportanlass in der Schweiz zu organisieren. Durch ihre Präsenz haben die anwesenden Athleten wie etwa die Skicrosserin Fanny Smith, Ski-Abfahrtsolympiasieger 2010 Didier Défago, Mélanie und Loïc Meillard oder Virginie Faivre ein starkes Signal ausgesendet.
Eine Frage stand und steht über allem im Raum. Setzt das Internationale Olympische Komitee (IOK) die Agenda 2020 ihres Präsidenten Thomas Bach um oder nicht? Bereitet es dem Gigantismus, der an den Winterspielen in Sotschi 2014 seinen exzessiven Höhepunkt erlebte, ein Ende? Das ist die zentrale Frage, der sich die Vertreter der nationalen Sportverbände am Dienstagabend in Ittigen stellen mussten. Denn die Schweizer Bewerbung «Sion 2026» hat nur dann eine Chance, vor dem IOK zu bestehen, wenn dieses die Rückkehr zu einer neuen Bescheidenheit tatsächlich umsetzt.
Foto: fricktal24.info, Internet-Zeitung, 16.12.2016
Jürg Stahl, Präsident von Swiss Olympic, sagt: «Die klare Botschaft, die der Schweizer Sport ausgesendet hat, ist sehr wichtig für uns. Sie zeigt, dass die Grundzüge des Projekts von «Sion 2026» sehr solide sind. Wichtig ist dieser Support gerade auch für die nächste Phase, in der es insbesondere darum geht, die Unterstützung des Bundes zu erhalten. Wir sind auch sehr dankbar, können wir auf den Support der Athleten zählen. Auch dank ihnen können wir der Schweizer Bevölkerung aufzeigen, warum die Spiele in der Schweiz eine grossartige Idee sind.»
Jean-Philippe Rochat, Präsident des Kandidaturkomitees «Sion 2026. Die Spiele im Herzen der Schweiz», ergänzt: «Der von Swiss Olympic ins Leben gerufene Prozess hat uns gefordert, hart zu arbeiten und gleichzeitig kreativ zu sein. Wir sind den Schweizer Sportverbänden für die Unterstützung dankbar, die wir heute erfahren haben und sind uns aber auch der Verantwortung für den Schweizer Sport bewusst. Der Sport steht im Zentrum unseres Projekts und wird es auch immer sein.»
Somit folgt im Frühling 2018 die Lancierung der offiziellen Bewerbung. Für die Kandidaturphase ist ein Budget von 24 Millionen Franken vorgesehen, die sich Swiss Olympic, Bund sowie beteiligte Kantone und Gemeinden aufteilen. Der Bund müsste sich an «Sion 2026» zumindest mit einigen hundert Millionen Franken beteiligen. Für die Bündner Kandidatur für Winterspiele 2022, die bereits vor dem Stimmvolk scheiterte, stellte der Bundesrat eine Garantie von einer Milliarde Franken in Aussicht.
Welches sind danach die weiteren Eckpfeiler?
1) Mai 2018: Der Bundesrat präsentiert seinen Antrag zur Übernahme der Sicherheitskosten. Erwartet wird, dass er dem Parlament ein Budget mit Kostendach vorlegt. 2) Zwischen den Entscheiden des Ständerats und des Nationalrats wird möglicherweise das Walliser Stimmvolk an der Urne befragt. Für die anderen beteiligten Kantone Bern, Freiburg und Waadt sind – Stand heute – keine Volksabstimmungen vorgesehen. 3) Das Internationale Olympische Komitee (IOC) wird im Sommer 2019 die Spiele vergeben. Mögliche Mitstreiter sind: Stockholm, Innsbruck, Lillehammer, Calgary, Almaty (Kas), Sapporo, Erzurum (Tür)
«Sion 2026. Die Spiele im Herzen der Schweiz», heisst das Motto.
Mit Abstimmungen im Sportparlament ging der nationale Nominationsprozess von Swiss Olympic zu Ende gegangen. Vor über einem Jahr war dieser Prozess mit fünf verschiedenen Projekten gestartet. Dank enger Zusammenarbeit, Workshops und Präsentationen von Fachspezialisten und ehemaligen Gastgebern von Olympischen und Paralympischen Spielen gelang es, ein Projekt zu gestalten, dass den festgelegten Kriterien erfüllt. Das Projekt «Sion 2026» kann nun die nächsten Etappen in Angriff nehmen.
Erstmals war die Swiss Karate Federation bei einem olympischen Dossier stimmberechtigt.
Hans Stöckli, Vizepräsident Komitee «Sion 2026»: «Der Sport übernimmt in unserem Land eine Vemittlerrolle. Er trägt zu unserem nationalen Bewusstsein bei und ist daher von grossem Wert. Die Olympischen und Paralympischen Spiele haben die Kraft, eine Generation zu prägen und für ein kollektives Erlebnis zu sorgen. Wir werden nun daran weiterarbeiten, aus dieser Kandidatur, die bereits in fünf Kantonen und mehrsprachig verankert ist, ein grosses, nationales Projekt zu machen – den 27. Kanton, den Olympischen Kanton!»
Didier Défago, Ex-Skirennfahrer, Olympiasieger 2010 in der Abfahrt: «Die Unterstützung seitens des Sports ist sehr motivierend und macht mich sehr glücklich. Die Spiele würden einen positiven Einfluss auf verschiedenste Gebiete unserer Gesellschaft haben: Im Mittelpunkt wird aber die Redynamisierung des Sports in unserem Land stehen und insbesondere die Aufwertung des Wintersports.»
Fanny Smith, Freestyle-Skifahrerin, Weltmeisterin 2013 im Skicross: «Für mich stellen die Olympischen und Paralympischen Spiele vor allem die Gelegenheit dar, für die Jugend ein tolles Grossprojekt auf die Beine zu stellen. Mit «Sion 2026» träumen wir von Winterspielen, die sich von Vorgängerprojekten unterscheiden. Winterspiele, die auf die Schweiz zugeschnitten sind und die den Jugendlichen die zentralen Werte des Sports vermitteln werden. Nun geht es darum, diesen Traum zu verwirklichen und der Bevölkerung die Vorteile aufzuzeigen, welche die Organisation der Spiele mit sich bringt. Dafür werde ich mich als Athletin einsetzen.»
Kommentar Jörg Krummenacher, Neue Zürcher Zeitung, 7. März 2017
Muss der aufgeklärte Mensch stets vernünftig sein? Gewiss nicht. Er soll ruhig auch spielen und träumen dürfen, wenn ihm danach ist – so, wie es das Kandidaturkomitee für Sion 2026 tut. Es will Olympische Winterspiele in die Schweiz holen, endlich wieder einmal. Auch der Exekutivrat von Swiss Olympic will das. Und natürlich wollen das grossmehrheitlich auch die Sportverbände, der Tourismus, das Gewerbe. Das ist nicht verwunderlich. Bei den einen ist es die Lust auf Spiele, das Ausleben von Träumen, bei den anderen die Hoffnung auf Profit. Da stellt man sich nicht gegen die eigenen Interessen, man stellt sich schon gar nicht selbst das Bein.
Die Sportverbände träumen von mehr Aufmerksamkeit und Förderung, das Gewerbe von Aufträgen, der Tourismus von einer Renaissance des Wintersports in den Schweizer Alpen, explizit auch dank mehr chinesischen Gästen. Ganz generell und ideell, so lauteten die Antworten auf eine Umfrage von Swiss Olympic, habe die Schweiz ein solch grosses, motivierendes Projekt mit gemeinsamem Ziel nötig, eines, so eine besonders beseelte Meinung, «das uns den Glauben an die Zukunft schenkt».
Allein: Die Zukunft der Schweiz hängt nicht von Olympischen Winterspielen ab. Unabhängig von Träumereien und Spielereien, stellt sich die Frage ganz nüchtern: Ist es verantwortbar, Olympische Winterspiele 78 Jahre nach St. Moritz 1948 wieder ins Land zu holen? Dass Stimmvolk wollte in letzter Zeit nichts davon wissen: Graubünden sprach sich vor vier Jahren und jüngst wieder gegen die Spiele aus, auch Bern erteilte seinerzeit der Bewerbung für 2010 eine Abfuhr. Zu gross scheinen die finanziellen Unwägbarkeiten, zu angeschlagen ist das Image internationaler Sportverbände. Auf die Party, fürchten viele, werde der Kater folgen. Die Kluft zwischen Volk und Olympiapromotoren ist gross.
Einzig im Kanton Wallis geben sie sich unbeirrt, mit ihnen die derzeitigen Partner für Sion 2026, Bern, Waadt und Freiburg. Dass ihnen der Exekutivrat von Swiss Olympic grünes Licht gegeben hat, beruht indes nicht auf Blauäugigkeit, wie dessen Präsident Jürg Stahl ausdrücklich vermerkte. Er hat eine Abwägung zwischen Traum und Wirklichkeit vorgenommen, und er glaubt an die Reformbereitschaft des Internationalen Olympischen Komitees, an dessen Willen, zu vernünftigen, finanziell machbaren Spielen zurückzukehren. Die Schweiz sei das richtige Land, um diesen Pioniergeist zu leben und ein Zeichen zu setzen, glaubt Stahl.
Das ist zu respektieren. Doch die Bewerbung Sion 2026 ist schwammig und steht unter Zeitdruck. Die Promotoren mussten sich vom Exekutivkomitee von Swiss Olympic kritische Fragen gefallen lassen. Sie können derzeit erst wenige Antworten geben. Wie hoch sind die Infrastrukturkosten? Noch offen. Wie hoch die Sicherheitskosten? Noch kein Thema. Wie muss sich der Bund beteiligen? Noch nicht ausgehandelt. Vor allem: Was sagt das Stimmvolk? Keine Ahnung. Volksabstimmungen zum Bewerbungskredit hat Sion 2026 vorerst mehr oder weniger elegant umschifft. Nun aber hat das Volk zu entscheiden. Da zeigt sich, ob Olympia und Schweizer Demokratie zusammenpassen.
St. Moritz war bisher der einzige Gastgeber von Olympischen Spielen. Doch 1924 und 1948 fanden die Winterspiele noch in einem überschaubaren Rahmen statt. Im Bild sieht man die Fahnenträger an der Eröffnungsfeier der Spiele.